Donnerstag, 25. Februar 2016

Licht und Schatten der Solarbranche

Die 14. Nationale Photovoltaik-Tagung stand zu Beginn dieser Woche im Banne eines sich rasant entwickelnden Marktes. Allerdings: Produktion und Verbrauch von Solarstrom stehen in der Schweiz derzeit wieder einmal im Gegenwind – die Energiestrategie 2050, die die Photovoltaik als Pfeiler der hiesigen Energiepolitik etablieren soll, ist noch nicht in trockenen Tüchern. Und nicht zuletzt die etablierten Stromunternehmen zeigen sich aus Sicht des Fachverbandes Swissolar häufig als Bremser des Ausbaus der Solarenergie. 

Weiterhin belegen schweizweit rund 35'700 Gesuche für die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) das ungebrochene Interesse, Photovoltaik-(PV)-Anlagen aller Grössen zu errichten. Kleinere Anlagen mit einer Leistung unter zehn respektive 30 Kilowatt profitieren unterdessen von der schneller verfügbaren einmaligen Bezuschussung. So konnten im Jahr 2015 wieder annähernd gleich viele Kapazitäten für die Solarstromerzeugung wie im Vorjahr zugebaut werden (280 bis 300 Megawatt Leistung). Es wäre viel mehr möglich – und es wäre auch mindestens das Doppelte an jährlichen Zubau nötig, um gegen Ende des kommenden Jahrzehnts einen Grossteil des dannzumal gemäss Energiestrategie wegfallenden Atomstroms durch solaren zu ersetzen. 

Unterdessen macht nicht nur der ungenügende Zubau der Solarbranche Kopfzerbrechen. Wie die nationale Tagung in Bern aufzeigte, sind es vielfältige administrative Hindernisse und willkürliche Einschränkungen einzelner Elektrizitätsversorger, die das Wachstum behindern. Zuvorderst steht die Sorge um den angemessenen Rücklieferpreis, auf dessen sinkende Tendenz eine neue Studie aufmerksam macht. Hinzu kommt die eklatante Spanne, in der sich der Rücklieferpreis bewegt – je nach Versorger zwischen vier und 20 Rappen je Kilowattstunde Strom. Stossend, dass manche der Preisdrücker den Strom dann mit einer massiven Marge von bis zu 100 Prozent weiter verkaufen.

Vergällt wird den Erzeugern von Solarstrom ihr Geschäft zudem durch die Aussicht, dass sie neu für die Netzkosten zur Kasse gebeten werden sollen. Alt-Nationalrat Rudolf Rechsteiner aus Basel warnte an der PV-Tagung davor, eine entsprechende Gesetzesänderung könnte der Solarbranche endgültig den Garaus machen. Von Entsolidarisierung könne keine Rede sein, wenn die Solarproduzenten – deren zusätzliche Herstellung erneuerbarer Energie ja politisch erwünscht sei – von dieser Abgabe befreit bleiben. Zumal die Beanspruchung des Netzes durch den Solarstrom bei den aktuellen Produktionszahlen als vernachlässigbar erscheint. Gegenteiliger Ansicht sind die im VSE zusammengeschlossenen Elektrizitätswerke, die die Gesetzesänderung angestossen haben und nur so glauben, die Finanzierbarkeit des Stromnetzes sicherstellen zu können.

Während für die Schweiz der erwünschte Solarausbau auf rund einen Viertel der gesamten Stromproduktion derzeit also auf wackeligen Füssen steht – und finanziell stark von der Erhöhung des Strompreiszuschlags von 1,5 auf 2,3 Rappen je Kilowattstunde abhängt – geht es in einer weltweiten Perspektive munter voran. Der Präsident von Photovoltaic Austria, dem Pendant von Swissolar, sprach an der Tagung gar von einer kopernikanischen Energiewende, die so ziemlich alles auf den Kopf stellt, was bislang in der Energiewelt Gültigkeit hatte.  Und wenn bislang von einem Kampf der Erneuerbaren als David gegen Goliath die Rede war, stelle sich unterdessen die Frage, wer denn hier David und wer Goliath sei.


Auch Swissolar-Präsident und SP-Nationalrat Roger Nordmann hielt fest, die Energiewende sei unumkehrbar angestossen. Er erinnerte an deren Hintergrund, der in den kommenden Wochen mit traurigen Jubiläen fürAufmerksamkeit sorgen wird. Denn es stehen der fünfte Jahrestag des japanischen AKW-Desasters in Fukushima und der 30. der grössten aller Atomkatastrophen in Tschernobyl an. Um die hiesige Energiewende nicht zu gefährden, brachte der Lausanner einen Rückzug der Atomausstiegs-Initiative ins Spiel – zumal sich die Atomenergie allein schon aus ökonomischen Überlegungen von selbst erledige.

Seit den Fanalen der Energienutzung in Japan und der Sowjetunion hat sich vieles getan in Bezug auf die Erneuerbaren. Aber es ist noch viel mehr möglich. Christian Breyer, Dozent an der finnischen Lappeenranta Universität, modelliert ein weltumspannendes Energieversorgungssystem, das vollständig auf Erneuerbare abstellt. Sein erstaunliches Fazit – ein solches ist zu vertretbaren Kosten zu realisieren.

Die Kosten sind auch für Volkswirtschaftprofessor Beat Hotz-Hart Dreh- und Angelpunkt der Beurteilung auch der Erneuerbaren im allgemeinen und der Photovoltaik im besonderen. Vor den rund 550 Kongress-TeilnehmerInnen widersprach er jenen VWL-Professoren, die Kosten von weit über 100 Milliarden Franken für die Energiewende veranschlagen. Diese vergessen, dass auch ein Weiter-wie-bisher in der Energiepolitik nicht zum Nulltarif zu haben ist. In einer volkswirtschaftlichen Beurteilung der Energiewende hätten nur die Differenzkosten zu diesem Weiter-wie-bisher Bedeutung. Diese betragen gemäss Hotz-Hart rund 40 Milliarden Franken, verteilt über 25 Jahre. Fazit: Die Energiewende kostet etwa gleich viel das Neat-Eisenbahnprojekt – und sei praktisch ohne Wachstumseinbusse zu stemmen.

Dass das wiederum nicht rein professorale Theorie ist, belegten die vielen Praxisbeispiele, die an den Solartagen trotz winterlichem Wetter in der Bundeshauptstadt allen Sorgen zum Trotz auch für zuversichtliche Stimmung sorgten. So beanspruchen viele Solarprojekte gar keine staatliche Förderung. Die Genossenschaft Migros-Aare etwa hat eine ganze Anzahl von Anlagen für den Eigenverbrauch erstellt und investiert so insgesamt rund 20 Millionen Franken – ohne jegliche staatliche Unterstützung. Grosse Mietwohnungs-Siedlungen im baslerischen Frenkendorf oder im nördlichen Zürich versorgen die Bewohner direkt mit Solarstrom. Und sie können gemäss den Projektvertretern auf gute Partnerschaft mit den jeweiligen Elektrizitätswerken aufbauen.

Ein Blick auf die schweizerische Solarforschung und -entwicklung rundete den zweitägigen Anlass ab. Was sich im Vorjahr angekündigt hatte, scheint für die gebäude-integrierte Photovoltaik auf gutem Weg. Unterdessen sind viele Produkte für die fassadenintegrierte (Built-In) Photovoltaik verfügbar, auch in zahlreichen farblichen Abstufungen. Anwendung haben sie noch immer erst in einzelnen Fällen gefunden – nächstes grösseres Projekt ist der neue Verwaltungsbau des Bauzulieferers Sika in Zürich-West. Das Start-up-Unternehmen Flisom will mit seinen im Druck-Roll-Verfahren hergestellten PV-Elementen 2017 in Produktion gehen. Und die Forschung ist an verschiedenen Instituten wie der Empa in Dübendorf und dem Csem in Neuenburg daran, mit wegweisenden Projekten ihren international bedeutsamen Ruf abzusichern. 

Als Fazit der diesjährigen nationalen Photovoltaiktagung kann denn gelten: Passiert die Energiestrategie des Bundes weit gehend unbeschadet National- und Ständerat und verfolgen die Kantone die Empfehlungen zur Umsetzung im kantonalen Bau- und Energierecht (die so genannten MuKEn) konsequent, könnte die Photovoltaik schon fast zum Selbstläufer werden.

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