Mittwoch, 1. November 2017

Weitgehend im Dunkeln

Immerhin rund drei Prozent der in der Schweiz jährlich verbrauchten Elektrizität stammen unterdessen aus Solaranlagen. Doch wer sich detailliert und zeitnah über die immer wichtigere Stromquelle informieren will, bleibt weit gehend im Dunkeln. 

Gut haben es immerhin die Produzenten von Solarstrom mit ihrer eigenen Anlage. Denn was da an Steuer- und Überwachungsmöglichkeiten unterdessen auf dem Markt ist, verwirrt schon fast durch die gebotene Vielfalt. Wie das im Alltag aussehen kann, zeigt etwa das Angebot von Energie 360° – früher bekannt als Gasversorgung von Zürich: Das Energieunternehmen hat mit Smartacus eine Lösung entwickelt, die Einfamilienhaus wie Mietwohnung zu einem intelligenten Heim verwandelt. Unterdessen ist es also nicht mehr nur das Einfamilienhaus, das von einer solchen Lösung profitieren kann – auch Mieter sind dabei, wenn der Vermieter denn will. In beiden Fällen wird der Energieverbrauch in Echtzeit analysiert, Stromfresser werden identifiziert und Energiesparmassnahmen aufgezeigt. Das hat für die Nutzer durchaus spielerische Komponenten – denkbar sind etwa Wettbewerbe zwischen verschiedenen Haushalten. 

Die ETH-Zürich gibt in ihrem Zukunftsblog allerdings zu bedenken: «Was bringen smarte Assistenten und intelligente Stromzähler, wenn sie der Mensch nicht richtig nutzt? Um etwa die Energiewende zu meistern, braucht es eine Kombination von digitalen Technologien und smartem Nutzerverhalten. Hier können die Sozialwissenschaften helfen.» Denn es sind die Haushalte, die immer mehr Energie verbrauchen – ja dort entscheidet sich letztlich das Schicksal der Energiewende. Sind sie bereit, ihre Daten durch die smarten Geräte verwalten zu lassen und dem Elektrizitätswerk zugänglich zu machen – oder verweigern sie im Namen des Datenschutzes jegliche Mitwirkung? 

Die Erfahrung der Hersteller und Programmierer solcher Systeme (bestehend aus Geräten und entsprechender Software) gehen dahin, dass mit der konkreten Anwendung die Akzeptanz seitens der Nutzer steigt, wie Evangelos Vrettos von den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich bestätigt. Wichtiger noch seien aber Gesamtangebote, die alles aus einer Hand für den so genannten Prosumer (aus Produzent und Konsument von Energie) zugänglich machen. Hier sind die EKZ bereits im Geschäft. Sie verhelfen damit den Anwendern zu einem wesentlich erhöhten Grad der Selbstversorgung mit eigenem Solarstrom (Eigenverbrauch steigt von rund einem auf deren drei Viertel). Je nach Ausbaugrad des gesamten Systems lassen sich verschiedene Bereiche des Stromverbrauchs ansteuern – also neben  Waschmaschinen etwa auch eine Wärmepumpe. Womit sich der Kreis schliesst und der Strom nicht nur für die gängigen Anwendungen verwendet wird, sondern auch bei der Erzeugung von Wärme zum Einsatz kommt. Voraussetzung bildet stets ein Anschluss ans Internet, ausser etwa für die Verwendung eines Boilers oder für die einfachste Messung des Verbrauchs. 

Wohin die Reise gehen kann, zeigt ein Blick nach Japan: Für die Monitoring- und Steuerungsaufgaben setzt dort eine Photovoltaik–Anlage eine herstellerunabhängige Hard- und Softwarelösung, beispielsweise von Skytron Energy ein: die Datenlogger liefern minutengenaue Wetter- und Leistungsdaten aus allen Teilen der Anlage. Der großzügige Pufferspeicher hält die Datenerfassung über Wochen aufrecht – auch an Standorten mit unzuverlässiger Internetverbindung. 

Hierzulande sind neben den erwähnten Energieversorgern spezialisierte Technikhersteller im Geschäft, zum Beispiel die Swisscom-Tochtergesellschaft Energy Solution AG mit ihrem System Tiko Storage. Bereits realisiert wurde mit dem Anwenderpaket, dass Kunden für den Einsatz der Batterie zum Ausgleich von Netzschwankungen eine zusätzliche Vergütung erhalten. Spätestens diese mache das System bereits heute zum wirtschaftlichen Pluspunkt. Wer sich lieber mit Lösungen von kleineren Anbietern abgibt, wird fündig bei einem Schweizer Solarpionier der ersten Stunde. TNCall nennt sich das System von Thomas Nordmann aus dem zürcherischen Feldmeilen. Der Anspruch ist nicht weniger, als Energieeffizienz, die Nutzung der Photovoltaik, die Wärmeerzeugung und –verteilung sowie Elektromobilität und Batteriespeicher zu einem Gesamtsystem zu vereinen. Versprochen wird dabei nicht nur ein wesentlich erhöhter Anteil an selbst verbrauchtem Solarstrom (Eigenverbrauch), sondern auch eine Reduktion des Wärme- und des Stromverbrauchs im Gebäude um 20 bis 40 Prozent. 

Auf der aggregierten Ebene fehlen in der Schweiz sowohl Prognose- wie Auswertungs-Tools. Anders etwa in Deutschland, wo der weltgrösste Wechselrichter-Hersteller SMA (siehe Bild) bereits seit Jahren im Internet die tägliche Sonnenscheindauer und -intensität, unterschieden nach Regionen und mit einer zeitlichen Verzögerung von rund zwei Stunden, für alle einsehbar werden lässt. Wer als Unternehmen der Energiewirtschaft an aktuellen Live-Daten interessiert ist, erhält von SMA ein entsprechendes Angebot. Die Zukunft des Datenmanagements erneuerbarer Energien liegt allerdings im Prognosebereich. Denn all die smarten Geräte werden erst ihre Wirkung entfalten, wenn sie den Energieverbrauch gemäss der voraussichtlichen Verfügbarkeit von Strom steuern. Will zum Beispiel heissen: Geschirr- oder Textilwaschmaschine laufen automatisch erst dann, wenn die Sonne effektiv scheint – und dass sie am Folgetag auch wirklich scheint, muss das Steuergerät präzise vorweg nehmen. 

Nun ist das Wetter bekanntlich vor allem in den elektronischen Medien immer mehr eine reine Show-Veranstaltung. Heftige Winde, Stürme und Kälteeinbrüche spielen dabei eine zentrale Rolle – die es zu überdenken gilt. Wichtiger werden künftig zeitliche Intervalle und Intensität des Sonnenscheins, damit sich die Wirksamkeit der erneuerbaren Energien und insbesondere der Sonne als Energiequelle erst richtig entfaltet. Diverse Wetteragenturen und das Bundesamt für Energie sind gefordert.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen